Das unbekannte Phänomen – Seegras als CO₂-Speicher

Bei einem Spaziergang an Nord- und Ostsee oder am Mittelmeer sieht man sie manchmal. Seegräser, die in den Gewässern vor den Küsten der Meere wachsen und eine überraschende Wirkung haben. Sie speichern Kohlendioxid. Ein Grund sich damit einmal näher zu befassen.

Es gehört zu den meist unbekannten Phänomenen. Seegras speichert effizient Kohlendioxid. Nach Untersuchungen des Helmholtz-Institutes speichert es 30 bis 50 Mal das CO₂- schneller als die Wälder an Land. Demnach sollen das Seegras allein in der deutschen Ostsee auf einer Fläche von 285 Quadratkilometern über acht Millionen Tonnen dieser Emissionen speichern.

Seegras bildet in den Meeren ganze Unterwasserwiesen. Das sind beeindruckende Ökösysteme, die vor allem in den seichten Teilen des Meeresbodens Kohlendioxid aufnehmen und im Bodenspeichern. Das geschieht nach Darstellung von Helmholtz Klima Initiative dadurch, dass das CO₂-durch Photosynthese gebunden und gespeichert wird. So wird auch der organische Kohlenstoff anderer Organismen wie Algen und Tiere aufgesammelt.

Mit den Grasbüscheln fangen die Pflanzen Schwebeteilchen und halten diese in der Wiese fest. Dazu gehöret lebendes oder totes Phytiplakton und die Überreste toter Tiere, die im Seegras Nahrung und Schutz suchen. Die Forscher haben festgestellt, dass das Seegras die Zersetzung des organischen Kohlenstoffs zu CO₂-verhindern. Der Kohlenstoff wird im Sediment gewisser Maßen begraben.

Forscher entdecken unter Seegraswiesen große Mengen Zucker

Marine Mikrobiologen des Max-Planck-Institutes in Bremen haben eine überraschende Entdeckung gemacht. Seegräser geben große Mengen Zucker, hauptsächlich in Form von Saccharose, in den Boden ab. Weltweit beläuft sich das auf mehr als eine Million Tonnen Saccharose – genug Zucker für 32 Milliarden Dosen Cola.

Derart hohe Zuckerkonzentrationen sind erstaunlich, denn normalerweise verbrauchen Mikroorganismen blitzartig jeden frei verfügbaren Zucker in ihrer Umgebung. So sei es möglich, „dass die Saccharose unter den Seegraswiesen vergraben bleibt und nicht in CO2umgewandelt und wieder in den Ozean und die Atmosphäre freigesetzt wird.“ (1)

Manuel Liebeke, Leiter der Forschungsgruppe Metabolische Interaktionen am Max-Planck-Institut meint, dass die Konzentration von Zucker unter dem Seegras mindestens 80-mal so hoch wie alles (war), was bisher im Meer gemessen wurde. „Wir schätzen, dass weltweit zwischen 0,6 und 1,3 Millionen Tonnen Zucker, hauptsächlich in Form von Saccharose, in der Seegras-Rhizosphäre lagern“.

Stellt sich für uns die Frage, warum Seegras so viel Zucker produziert? Nicole Dubilier, Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie: „Das Seegras produziert den Zucker während der Fotosynthese. Unter durchschnittlichen Lichtverhältnissen verwenden die Pflanzen den Großteil dieses Zuckers für ihren eigenen Stoffwechsel und ihr Wachstum. Aber bei sehr starkem Licht, zum Beispiel zur Mittagszeit oder im Sommer, produzieren sie mehr Zucker als sie verbrauchen oder speichern können. Dann geben sie die überschüssige Saccharose in ihre Rhizosphäre ab. Es ist quasi ein Überlaufventil.“ (1)

Klimawandel gefährdet die Seegraswiesen

Angela Stevenson, Nachwuchsforscherin in der Forschungseinheit „Marine Evolutionary Ecology“ am GEOMAR in Kiel, untersucht den Zustand und das Potenzial von Seegraswiesen entlang der deutschen Ostseeküste. Sie fast die Gefährdungen wie folgt zusammen (1):

„Wir wissen zum Beispiel, dass die Versauerung und Erwärmung des Ozeans negative Auswirkungen auf die Biodiversität in Korallenriffen, Muschelbänken und einigen Makroalgenlebensräumen hat. Nehmen wir als Beispiel Seegras, weil es an der deutschen Küste weit verbreitet ist. Die Auswirkungen des Klimawandels könnten schwerwiegend sein. Temperatur und Tiefe sind im Allgemeinen die wichtigsten begrenzenden Faktoren für diese Lebensräume.

Die Erwärmung des Wassers und der Anstieg des Meeresspiegels können sich also auf ihre Verteilung auswirken und ihre Reichweite verringern. In einigen Gebieten des Mittelmeers konnte der Verlust des Lebensraums von Seegras mit Hitzewellen in Verbindung gebracht werden. Erhöhte Wellenbewegungen und Sturmfluten aufgrund extremer Wetterereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel könnten ihr Überlebenspotenzial in betroffenen Gebieten weiter beeinträchtigen.“

Schutz und Erweiterung der Seegraswiesen an den deutschen Küsten

Natürlich gilt es zunächst alles zu tun, um die Erwärmung der Erde mit den vielfach besprochenen Maßnahmen abzubremsen und zu vermeiden. Dazu kommen wesentliche Schritte zur Vermeidung der Verschmutzung der Meere. Für den Schutz und die Erweiterung der Seegraswiesen gibt es aber auch besondere Möglichkeiten.

Die Experten fordern dazu mehr finanzielle Mittel, um erfolgreiche Restaurierungstechniken zu entwickeln und natürliche sowie menschliche Einflüsse auf die Pflanzen zu erforschen, um ihre Auswirkungen abzuschwächen. Es ist nach Stevenson auch ratsam, die Auswirkungen des Klimawandels auf den im Ozean gebundenen Kohlenstoff genauer zu untersuchen. So könne der menschliche CO₂-Fußabdruck in küstennahen Vegetationssystemen unter verschiedenen angenommenen Klimaszenarien verbessern.

Dr. Peter Schmidt

(1) https://www.mpg.de/18570490/0429-mbio-suesse-oasen-im-meer-unter-seegraswiesen-liegt-haufenweise-zucker-154772-x
(2) https://www.helmholtz-klima.de/aktuelles/fuer-seegraswiesen-koennten-die-auswirkungen-schwerwiegend-sein